Es war in gewisser Weise eine Abstimmung auf den Füßen. Auf die Frage von MedicalMountains-Geschäftsführerin Julia Steckeler, wer Schwierigkeiten bei der MDR-Umsetzung habe, stand das rund 70-köpfige Auditorium geschlossen auf. Beim Symposium der Med Alliance BW in Tuttlingen konnten zwar nicht alle Fragezeichen beseitigt werden, aber Einschätzungen von Benannten Stellen und der EU-Kommission klarer herausgearbeitet werden. Neben Julia Steckeler nahmen auf dem Experten-Podium Dr. Peter Diesing (Berlin Cert GmbH), Dr. Royth von Hahn (TÜV SÜD Product Service GmbH) und Dr. Christoph Göttschkes (Kanzlei Lücker MP Recht) Platz. Zugeschaltet war Peter Bischoff-Everding, Legal Officer im Referat „Medizinprodukte“ innerhalb der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (GD SANTE) der Europäischen Kommission. Im Jahr sieben der MDR gibt es weiterhin Diskussionsbedarf, der nicht zuletzt von den Teilnehmenden aufgebracht wurde.
Etwas klarer hebt sich der Weg indes bei EUDAMED ab. Per Videoschaltung blickte Lionel Tussau (Bayard GmbH) auf die absehbar nächsten Schritte. Auch wenn noch nicht feststeht, wann genau die weiteren Module verpflichtend zu nutzen sind: „Warten Sie nicht bis zum letzten Moment“, empfahl Lionel Tussau, für das Jahr 2025 ausreichend Ressourcen einzuplanen und im besten Fall schon jetzt mit Testläufen zu beginnen. „Nicht bis zum letzten Moment warten.“ Diese Ansage galt ebenso für die Deadline 26. Mai 2024. Bis dahin müssen Medizintechnik-Unternehmen den MDR-Antrag bei ihrer Benannten Stelle eingereicht haben, um für die bestehenden (Legacy-)Produkte von den neuen Übergangsbestimmungen nach Artikel 120 profitieren zu können. „Ein Antrag, der am 27. Mai 2024 eintrifft, ist nicht mehr von Bedeutung“, betonte Dr. Peter Diesing, „dann erlischt die Verkehrsfähigkeit der Produkte.“ Eine Vollständigkeitsprüfung der technischen Dokumentationen müsse bis zum 26. September 2024, der Frist für den Vertragsschluss zwischen Benannter Stelle und Hersteller, nicht erfolgen, waren sich die Vertreter der Benannten Stellen als auch Peter Bischoff-Everding einig. Dies widerlaufe sonst dem Anliegen, allen Beteiligten mehr Zeit zu verschaffen. So weit, so deutlich. Unsicherheiten gibt es indes bei Konformitätserklärungen für Produkte, die von den Übergangsbestimmungen erfasst sind. Außerhalb, aber auch innerhalb der EU mangelt es an Verständnis und Akzeptanz bei abgelaufenen Zertifikaten und dem „Confirmation Letter“ der Benannten Stellen. Aus dem Teilnehmerkreis kam die Forderung, das von der Kommission veröffentlichte FAQ-Papier „zwingend und zeitnah“ zu ergänzen und eine einheitliche Form für die Konformitätserklärungen zu gestalteten. Sonst führe „jedes Land mit jedem Hersteller zig Diskussionen“, lautete eine Befürchtung. Peter Bischoff-Everding sah die Möglichkeit, das Thema in die MDCG-Gremien zu tragen. „Diesen Diskurs braucht es“, unterstrich Julia Steckeler. Der Experten-Austausch hatte noch weitere Punkte auf der Agenda. So kam etwa die Lieferanten-Hersteller-Beziehung und deren Informationsfluss zur Sprache. „Hat die Aktivität einen Einfluss auf die Qualität?“, diese Frage gelte es in Bezug auf die Kritikalität von Lieferanten zu bewerten. Die Einstufung nach wirtschaftlichen Kriterien reflektiere nicht unbedingt die Sichtweise der Benannten Stelle, so Dr. Royth von Hahn. Einen blinden Fleck bei den Übergangsbestimmungen machte Dr. Christoph Göttschkes aus: die Geltung von Artikel 120 für MDD-Zertifikate zu sterilen Behandlungseinheiten. Hier bestehe „keine klare Rechtssituation“, da Artikel 120 hinsichtlich der Geltungsdauer der Zertifikate auf die Risikoklasse eines Produkts abstellt, Systeme und Behandlungseinheiten aber nicht klassifiziert werden. Das in Anbetracht des MDCG-Dokumentes 2018-4 naheliegende Vorgehen, mit dem höchsteingestuften Produkt hilfsweise das gesamte System zu klassifizieren, überzeuge nicht jede Benannte Stelle. Den weiteren Nachmittag füllten Workshops aus. In Sachen „Biokompatibilität“ und „Internationale Zulassungen“ gingen Mitglieder der Med-Alliance-BW-Arbeitsgruppen in den Austausch mit den Teilnehmenden. Die Dialoge des Tages waren für Julia Steckeler der eigentliche Zugewinn. „Letztlich sind enorm viele Informationen vermittelt worden, was Unternehmen beachten, aber auch wir als MedicalMountains vertiefen sollten“, so Julia Steckeler. Einen Ansatz gibt es bereits: Im Juni findet in Tuttlingen ein UDI- und EUDAMED-Symposium statt, bei dem Lionel Tussau vor Ort sein wird.
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